AW: Kampagne: Ich bin Deutschland
Hallo!
Kein Thema ist in Deutschland so vorbelastet wie das des Umgangs mit der nationalen Identität. Sieht man die Selbstverständlichkeit in vielen europäischen Nachbarländern, wie dort Nationalstolz ohne jegliche chauvinistische Hybris zum Alltag gehört wie den fast üblichen Danebrog im Vorgarten der dänischen Vorstädte, den 14. Juli in Frankreich, den fast schon peinlichen naiven Nationalismus vieler US-Amerikaner (God's own country, the only nation, Absingen der Hymne vor jedem Dorf-Sportereignis, rot-weiß-blaue Fähnchen und Sternenbanner allüberall...), dann haben nach meiner Erfahrung derzeit vor allem zwei Bevölkerungen Schwierigkeiten im Umgang mit sich selbst und ihrer Geschichte, nämlich wir Deutschen und die türkische Bevölkerung. Wir Deutschen durch die Geschichte der deutschen Einigung im 19. Jahrhundert und den kaiserlichen Chauvinismus, anschließend den Nationalsozialismus, dessen Verbrechen und Untergang. Ähnlich geht es der Türkei - nur durch ein total übersteigertes Nationalgefühl wird der innere Konflikt mit den verschiedenen Völkern und Kulturen übertüncht (siehe Fußballexzess).
Die Kampagne (gleichgültig, wie sie angelegt und gemacht ist) hat in meinen Augen etwas aufgebrochen und angestoßen, was seit vielen Jahren unter den Teppich gekehrt wurde. Wir dürfen das Bewusstsein einer nationalen Identität nicht der rechten Ecke überlassen, sondern dieses Bewusstsein auf eine normale und selbstverständliche Ebene bringen. Gerade im Zuge der europäischen Einigung und der zunehmenden Globalisierung braucht der Mensch Wurzeln.
Ich hoffe auf den Tag, an dem ich nicht zusammenzucke und ein schlechtes Gewissen bekomme, wenn ich irgendwo auf der Welt ein Fähnchen sehe oder etwas über Nationalitäten höre.
In meinen Augen ist dies eine kulturelle Thematik und muss raus aus der Links-Mitte-Rechts-Politik! Das Miteinander kann nur dann richtig funktionieren, wenn sich jeder einzelne seiner Identität bewusst ist und sich selbst und seine Geschichte einbringt. Wie katastrophal sich das Nicht-Thematisieren und stillschweigende Überlassen des Nationalbewusstseins der rechten Chauvi-Ecke auswirken kann, haben wir in den Ländern Ex-Jugoslawiens gesehen. Unter Tito wurde mehr oder weniger zwangsgeeinigt, nach Tito brach das Nationalthema aus der primitivsten Ecke mit schrecklichen Folgen aus.
Aber in unser FixFoto-Forum gehört das alles nicht.
Gruß
Günter